Kreislaufwirtschaft praktisch – Selbstversorgung und Jungpflanzenanzucht in Eigenregie
Wie wichtig die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen ist, zeigt sich erst wenn unsere arbeitsteilige Welt einmal nicht wie am Schnürchen funktioniert. Die Corona-Krise führt uns vor Augen was es heißt, wenn Läden nicht wie gewohnt offen und Regale einmal nicht wie üblich randvoll gefüllt sind. Viele Menschen machen sich darüber Gedanken, wie sich ihre Versorgung in Zukunft regionaler gestalten lässt. Wenn diese Krise zumindest etwas Gutes haben sollte, dann werden Solidarische Landwirtschaften und regionale Erzeuger Mitstreiter und Kunden gewinnen und in den Haushalten werden sich die Menschen darüber Gedanken machen wie sie sich in Zukunft versorgen wollen. Vielleicht wird auch die Selbstversorgung an Bedeutung gewinnen? Doch wie können wir auch im Haushalt besser im Kreislauf wirtschaften und die Abhängigkeit vermindern?
Jeder hat Möglichkeiten die Ideen der Kreislaufwirtschaft in seinem Alltag zu integrieren. Aber wie kann ich selbst etwas zu meiner Versorgung beitragen, auch wenn Baumärkte und Gärtnereien geschlossen sind und ich mir weder Anzuchtsubstrat, Erde, noch Jungpflanzen wie gewohnt in den Kofferraum laden kann? Und wie kann ich zu meiner Selbstversorgung beitragen, wenn ich weder einen eigenen Garten noch einen Balkon zur Verfügung habe?
Machen wir das Jahr 2020 zum Wendejahr – jetzt wird’s praktisch
Der April ist der Gartenmonat, in dem der Grundstein für eine erfolgreiche Selbstversorgung gelegt werden kann und gerade diejenigen, die durch die Ausgangsbeschränkungen mehr Zeit zu Hause verbringen können diese Gelegenheit nutzen und das Jahr 2020 zum Jahr der Selbstversorgung ausrufen. Was ist besser geeignet die eigenen Abwehrkräfte zu stärken als selbsterzeugtes Gemüse aus dem eigenen Garten?
Aber wie gehe ich vor, wenn ich mir keine Jungpflanzen aus Gartencenter und Baumarkt besorgen kann, weil sie geschlossen sind? Glücklicherweise gibt es auch die Möglichkeit Jungpflanzen direkt vom Produzenten zu bestellen (z.B. hier: Am Gaertchen). Wer selbst aktiv werden möchte schreitet zur Tat.
Weiterhin gibt es glücklicherweise in den Supermärkten Saatgut zu kaufen, mit dem man sich seine eigenen Jungpflanzen selbst produzieren kann. In den Naturata Filialen finden Sie Saatgut von Bingenheimer, also beste ökologische Qualität von Biohöfen in ganz Europa. Wer sich für lokal erzeugtes Saatgut einsetzen möchte, kann bei SEED (Som fir d’Erhalen an d‘ Entwécklung vun der Diversitéit) Mitglied werden und findet dort viele Sorten die in Luxemburg bestens erprobt sind.
Wer hier neu einsteigt beginnt mit Gemüse das leicht gelingt. Im April bietet sich die letzte Gelegenheit für die Aussaat von Tomaten und Paprika, die auf den Balkon und in den Garten gepflanzt werden sollen. Ohne Probleme gelingt noch die Aussaat aller Kohlgewächse, Salate, Zucchini, Kürbisse und Gurken. Es gilt im Blick zu behalten, wieviel man wirklich braucht und wieviel Platz man auf Fensterbank, Wintergarten und Balkon hat. Empfehlenswert ist es lieber etwas weniger Pflanzen einer Sorte oder Art auszusäen und den Rest der Samen zu tauschen oder fürs nächste Jahr aufzubewahren, als zu viele Jungpflanzen zu haben, die sich schlecht entwickeln können. Wer einen Garten hat, braucht nur die Pflanzen am Fensterbrett zu ziehen, die diese spezielle Pflege wirklich benötigen. Die meisten Blattgemüse wachsen am kräftigsten, wenn sie direkt gesät werden (Möhren, Rote Beete, Schnittsalate, Radis, Rettich, Stangensellerie, Fenchel und viele mehr). Fruchtgemüse wie Tomaten brauchen später einen eigenen Topf. Die Jungpflanzenaufzucht ist eine tolle Gelegenheit auch mit Kindern eine schöne Aufgabe anzugehen, bei der es jeden Tag etwas Neues zu tun und entdecken gibt.
Das Saatgut liegt bereit und jetzt bleibt noch die Frage welches Aussaatgefäß sich am besten eignet. Sind noch Töpfe aus der alten Gartensaison auf Lager, sind diese sicher die beste Wahl. Ansonsten helfen kleine Bastelleien und kreative Ideen weiter. Alles was lebensmittelecht ist, eignet sich grundsätzlich. Aufgeschnittene Getränkekartons, Jogurt-Becher und Gemüseschalen sind bestens geeignet, wenn sie mit Löchern zum Wasserablauf versehen werden. Bleibt die Frage welchen „Übertopf“ man für die Aussaatgefäße wählt. Gut bewährt haben sich improvisierte Untersetzer aus alten Schrank-Schubladen aus Plastik, ebenfalls Gemüseschalen, Schuhabtropfschalen oder Plastikschalen von Kleintierställen o.ä. Auch hier ist Improvisationstalent gefragt. Etwas größer dimensioniert als das Fensterbrett ermöglichen die „Untersetzer“ gleich auch noch eine Vergrößerung der Aussaatfläche. Gewählt wird am besten ein gut besonntes Fenster. Für Paprika und Chili und bei Tomaten (zur Keimung) darf es gern auch der wärmste Raum des Hauses sein. Für Blattgemüse (Salate, Petersilie und Kohl) und Fruchtgemüse (Zucchini, Gurke, Kürbis) sollte es zwar hell aber nicht zu warm sein. Sind alle Räume des Hauses eher etwas zu warm (über 21°C) kann man sich so behelfen, dass die Jungpflanzen ab dem Stadium von vier Blättern am Tag an einen geschützten Platz nach draußen oder auf den Balkon (ggf. für Windschutz sorgen) gestellt werden und am Abend wieder ins Haus geholt werden.
Saatgut, Aussaatgefäße und Übertöpfe stehen bereit. Bleibt die Frage welches Aussaatsubstrat verwendet werden kann, wenn in Corona-Zeiten kein Baumarkt geöffnet hat und auch kein Nachbar weiterhelfen kann. Glück hat wer einen Garten mit eigenem Kompost hat. Die beste Mischung für gute Anzuchterde ist gut verredeter Kompost (50%) gemischt mit krümeliger Gartenerde (50%). Auch die Erde von Maulwurfshügeln ist, gemischt mit Kompost, gut als Aussaaterde geeignet. Zukauf ist nicht notwendig auch wenn die Baumärkte wieder geöffnet haben. Beste Aussaaterde aus dem eigenen Garten ist stehts die beste und kostengünstigste Wahl.
Was tut nun der der keinen eigenen Kompost pflegen kann, weil er keinen eigenen Garten zur Verfügung hat? Hier bieten Regenwurmkisten eine praktikable Alternative um sich selbst eigene Substrate herzustellen. Auch die Bokashi-Herstellung ist im eigenen Haushalt möglich und führt bei guter Pflege zu einem guten Material, welches als Substrat (bedingt als Aussaatsubstrat) geeignet ist. Beim eigenen Haushalt ohne Kompostherstellung ist z.T. ein Zukauf unumgänglich. Hier empfiehlt sich die Verwendung von Kokosfaser die als Abfallprodukt anfällt und ähnlich wie Torf verwendet werden kann ohne den negativen Klimaaspekt. Kokosfaser ist sehr leicht und aus einem 1l Klotz wird mit Wasser 10l Substrat, welches gemischt mit Wurmkompost sehr gut verwendet werden kann. Die ist auch über den Onlinehandel zu beziehen (ungedüngte Variante bestellen, hier sind oft mineralische Stickstoffdünger enthalten) und ist aufgrund des geringen Gewichtes dem hilfsbereiten Postboten eher zuzumuten als die Bestellung von Aussaaterde.
Auch für alle die die keinen Balkon und nur ein sehr kleines Fensterbrett zur Verfügung haben, ist es möglich zumindest eine kleine Portion ihres Gemüses selbst zu produzieren. Hier bieten sich die Produktion von Mikrogemüse und Sprossen an. Sprossen brauchen noch nicht einmal Sonnenlicht, denn sie bringen die Sonnenenergie gespeichert in ihrem Samenkorn gleich mit. Keimgeräte finden sich im Naturata Supermarkt, können aber auch ganz einfach selbst aus Einmachgläsern hergestellt werden. Am besten eigenen sich Gläser mit Deckeln aus Plastik. Der Deckel muss mit kleinen Löchern versehen werden (dünnen Nagel verwenden), damit die Sprossen gespült werden können und das Wasser ablaufen kann. Als Sprossen angekeimt werden können z.B. Kohlgemüse wie Brokkoli und Radieschen, aber auch Luzerne (Alfalfa) oder Mungbohnen, als Klassiker der Asiatischen Küche. Die Sprossen werden über Nacht in Wasser eingeweicht, am Morgen abgegossen und dann täglich 2-3 Mal mit kaltem Wasser kräftig abgespült. Wem selbst dies zu aufwendig ist, der kann sich auch dafür entscheiden Gartenkresse oder Sprossen in einer niedrigen Schale mit Erde zu ziehen. Diese brauchen noch weniger Zuwendung, nur aller drei Tage etwas Wasser. Wenn 2-4 Blätter gewachsen sind werden diese kurzerhand geköpft und eignen sich bestens als Zugabe für Salate, auf dem Butterbrot, sowie als leckere Zutat für Kräuterquark. Mit dieser Methode kann auch Gerstengras (auch alle anderen Cerealien sind geeignet) selbst hergestellt werden. Damit kommen auch Smoothie & Rohsaft Fans auf ihr Kosten. Auch Mangold, Rote Beete, Koriander und Asia Salate können so leicht als Mikrogemüse gezüchtet werden.
Aber auch essbare Zimmerpflanzen sind eine Möglichkeit selbst etwas zu ernten. Neben bekannten Küchenkräutern, die bei guter Pflege auch ein gewisses Alter erreichen bzw. häufig nachgesät werden können (Basilikum), bieten sich Zitronengras und Kafir-Zitrone (Zitronenblatt) als hübsche und vor allem verzehrbare Zimmerpflanzen an. Auch Lorbeer wächst gern als Zimmerpflanze, genauso wie Aloe Vera. Auch Chilis können mehrjährig in der Wohnung gezogen werden. Eine für die Anzucht im Haus besonders beliebte und nützliche, weil ertragreiche Sorte, ist die sibirische Hauspaprika.
Wir hoffen, dass wir dem ein oder anderen eine kleine Anregung geben konnten wie sich die Zeit zu Hause, vielleicht auch mit Kindern, für die eigene Selbstversorgung nutzen lässt. Die Beschäftigung mit dem Wachstum der Pflanzen, die wir täglich essen, macht uns aufmerksamer für unsere Umwelt und für den Wert und die Arbeit die in unseren Lebensmitteln steckt. Sie öffnet uns die Augen dafür, dass Lebensmittel unser Mittel zum Leben sind.